Franz Gölzenleuchter
Wenn man heute über die jüdischen Friedhöfe geht...
Wenn man heute über die jüdischen Friedhöfe unserer engeren Heimat geht, erkennt man sehr schnell, dass auf fast allen in den letzten sechs Jahrzehnten keine Beisetzungen stattgefunden haben. Manchmal liegt die
letzte Beerdigung noch länger zurück.
Die Gründe liegen auf der Hand. Die Juden flohen in den dreißiger und vierziger Jahren aus diesem Land oder sie wurden deportiert. Ausnahmen gibt es. In Limburg auf dem Friedhof am Fuße des Schafsbergs, gibt es
einige Gräber aus der Zeit nach 1945, nämlich aus den Jahren 1955, 1956, 1958, 1971 und 1995.
Es war 1995, dass Ingeborg Putziger dort beigesetzt wurde. Nach dem 2. Weltkrieg hatte sie immer wieder ihre Vaterstadt Limburg besucht. So war es ihr Wunsch, dort ihre letzte Ruhestätte zu finden, wo schon ihre
Vorfahren ruhten.
Auch wenn viele Juden heute nicht alle religiösen Gebote erfüllen - darin unterscheiden sie sich nicht von den Christen - gibt es für den letzten Abschied Ordnungen, die einzuhalten sind. Dazu gehört der
Rabbiner, der die Beerdigung leitet. Dazu gehören Männer, die den Sarg, eine unbearbeitete Holzkiste, über den Friedhof tragen und immer wieder abstellen, damit der Rabbiner die vorgeschriebenen Gebete sprechen
kann. Dazu gehört, dass, nachdem der Sarg in dem Grab abgestellt ist und der Sohn des Kaddisch gesprochen hat, die anwesenden Männer das Grab so weit zuschaufeln, dass der Sarg mit Erde bedeckt ist. Dann soll der
Tote ruhen und erst nach einem Jahr wird der Grabstein gesetzt und die Umfassung des Grabes angelegt.
Wie gesagt, Jahrzehnte lang gab es kaum Menschen, die auf den zahlreichen jüdischen Friedhöfen unserer Heimat hätten beerdigt werden können. Inzwischen hat sich die Situation geändert. In Limburg gibt es wieder
eine kleine jüdische Gemeinde. Es sind alles Menschen, die aus den GUS-Staaten hierher gekommen sind. Jetzt können sie erstmals in Freiheit ihren Glauben leben. Viele sind gerade dabei die tiefen Traditionen ihrer
Religion zu erlernen und auszuüben. Dazu gehört auch, weil das menschlich ist und Leben immer endlich ist, der Schritt aus dem Leben.
So ist der jüdische Friedhof in Limburg wieder für Bestattungen offen, ein Trost für die alten Menschen der jüdischen Gemeinde. Denn so werden sie einmal in heiliger Erde ruhen. Die seit Jahrzehnten verwaisten
jüdischen Friedhöfe können wieder zum „guten Ort" - so bezeichnen die Juden in Deutschland einen Friedhof- werden.
|